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Auf ein Hashtag: #bloggerfuerfluechtlinge

Drei Monate ist es her, dass wir mit Herr Johann unseren ersten #refugeeswelcome-Brunch veranstaltet haben. In zwei Tagen wird der nächste folgen. Im schlechtesten Sinne inspirieren lassen mussten wir uns von den ersten gekenterten Flüchtlingsbooten des Frühjahrs 2015 im Mittelmeer (oder besser: von den ersten Toten, die uns medial hier in Deutschland erreichten). Ich war geschockt, traurig und wütend. Und dieser Zustand hält weiter an. Nein, zurzeit habe ich das Gefühl, dass es jeden Tag schlimmer wird: Tote in Booten, Tote an Grenzen, Tote in LKWs. Immer mehr verzweifelte Menschen, die auf ein besseres Leben hier in Deutschland oder in einem anderen Land Europas hoffen. Hier könnten sie Ruhe finden und einen neuen Anfang wagen – fernab von Armut oder/und Krieg, Zerstörung, Verfolgung, Misshandlung, Vergewaltigung und Tod. Könnten.

Reich und beschämt

Denn statt Ruhe hören sie das rassistische Geblöke der selbsternannten „besorgten Bürger“, die rechtsradikalen Parolen ewig Rechter und neuen Nazis. Statt Ruhe gibt es brennende Flüchtlingsunterkünfte, Terroranschläge mit Molotowcocktails, Steinen, Fackeln und was sonst noch Zerstörung garantiert. Die Medien, von den sozialen bis zur Tagespresse, sind voll mit Berichten rechter Gewalt. Das macht doppelt fassungslos. Betroffen. Wütend. Traurig. Hilflos. Und ich schäme mich maßlos.

Krieg und Frieden.

Ich bin 31 Jahre alt. Ich bin in Frieden aufgewachsen. Ich konnte zur Schule gehen, studieren und mir sogar mein Studienfach frei wählen. Ich konnte den Mann heiraten, den ich liebe. Ich erzähle anderen Menschen, dass ich nicht an eine bestimmte Religion glaube. Wer mich reden hört, darf mich Feministin nennen – wer mich fragt, dem bestätige ich das gern. Und bei allem habe ich niemals Angst um mein Leib und Leben. Das macht mich zu einem sehr, sehr reichen Menschen. Ab und zu versuche ich mich in einem Gedankenexperiment und stelle mir vor, ich müsste von hier fliehen…ich müsste meine Familie und Freunde zurücklassen,  um dann überall gegen Mauern, Zäune, Soldaten und im „besten“ Fall nur gegen Bürokratie zu rennen. Was für ein Alptraum unvorstellbaren Ausmaßes. Was für ein unempathischer Holzklotz und Vollpfosten müsste ich also sein, um Menschen, die meist gar nichts bis auf das eigene Über-Leben haben, beschimpfen, beneiden und vertreiben zu wollen?!

Lauter und lauterer

Zum Glück gibt es aber noch „die Anderen“, die „Anständigen“, wie sie Gerhard Schröder einst und im vergangenen Jahr und nun auch Anja Reschke in den Tagesthemen nannte. Auch die, die vielleicht vorher nur mit dem Kopf geschüttelt und geschwiegen haben, scheinen seither begriffen zu haben worum es geht: Lauter werden. Das „Herzlich Willkommen“ muss größer sein als das „Hau ab“. So füllt sich meine Timeline zurzeit mit Nachrichten voller Mitmenschlichkeit, Empathie und Hilfsbereitschaft. Tageszeitungen und andere Medien berichten, Freunde packen mit an und vor der eigenen Haustür werden Sachspenden gesammelt. Das ist großartig und fühlt sich gut an.

#bloggerfuerfluechtlinge und #refugeeswelcome

Eine der Initiativen, die seit ein paar Tagen für Furore sorgt, ist #bloggerfuerfluechtlinge. Ein wunderbares Beispiel, was Menschen gemeinsam bewegen können – auch in „diesem“ Internet. Insgesamt sind bereits knapp 50.000 Euro an Spenden gesammelt worden. Chapeau! Und es werden überall immer mehr – Geldspenden, Sachspenden, Zeitspenden, Spaßspenden.

Auch wir werden am kommenden Sonntag wieder einen kleinen Tropfen auf dem heißen Stein für den großen Eimer sammeln. Ab Oktober planen wir  größer – gemeinsam mit Anja, theveganfoodnerd. Hier schließt sich dann auch der Kreis zu unserem Herr Johann mit viel Gast- und Freundschaft. Grobe Pläne gibt es schon, bis es spruchreif ist, brauchen wir noch etwas.

Auf ein Wort #hashtag

Es gibt inzwischen unzählige großartige Artikel, aphoristische Zusammenfassungen und Unfasslichkeiten zu #refugeeswelcome und #bloggerfuerfluechtlinge zu lesen, dass ich nachfolgend meine Favoriten der letzten Tage gerne in LINKischer Art und ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier zitiere. Hier finden sich auch Argumentationen und Anmerkungen, die in den oben stehenden Zeilen keinen Platz gefunden haben.

Und auf ein #wort zu guter Letzt: Wir reden hier leider nicht von einem rassistischen Problem der letzten Wochen, sondern von einer rechten Tradition. Einer, die nicht zuletzt auch durch #Pegida neue Nahrung und gefährliche Mitläufer*innen erhalten hat. In diesem Sinne: Laut werden FÜR Menschen und GEGEN Rassisten.

Viele Grüße und bis bald,
Jessica, von Eurem Herr Johann